Willkommen in den Raunächten – der stillen Zeit zwischen den Jahren.
Ruhe darf einkehren, Familienbande gespürt werden, Kraft getankt und sich über das Wunder des Lebens gefreut werden.
In diesem Jahr geht mein Raunachtskalender kontrastreiche, tiefe, psycho-aromatherapeutische Wege. Unter dem Motto „Guter Duft – Böser Duft“ erkunde ich in diesen Raunächten 6 Düfte, die mich stets zutiefst erfüllen, verstehen und stärken und 6 Düfte, mit denen ich immer mal wieder oder einst mal so richtig doll auf Kriegsfuß stand oder stehe. Als Beispiel soll euch dies vermitteln, wie ihr Psycho-Aromatherapie selbst erleben könnt (und was genau das vielleicht ist).
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Kalmus – Guter Duft oder Böser Duft?
Um gleich mit dem provokanten Titel aufzuräumen: Gut oder böse ist ein Duft nur im subjektiven Empfinden. Finde ich ihn gut? Lehne ich ihn ab? Wie meint ihr, die ihr Kalmus vielleicht kennt, ist meine Position zum Kalmus?
Wie wahr wie wahr, es ist kein Duft, in den ich mich tief fallen lassen und mich in ihm geborgen fühlen kann. Ich kenne keine einzige Person, die das mit Kalmus kann. Tatsächlich ist Kalmus eines der herausforderndsten Düfte, die ich je gerochen habe. In den ersten Zeiten war jedes Einatmen des Duftes ein Schlag in die Magengrube und mir wurde sofort übel. Jedes Mal. Hätte ich so etwas nur schon zu Schulzeiten gekannt, in denen ich das ein oder andere Mal mit einer guten Entschuldigung flüchten wollte… Oh, da sind wir beim Thema!
Bloß weg von hier!
Das ist wohl ein Ausspruch den Kalmus am besten kennt. Die Momente im Leben, in denen wir einfach nur unsichtbar werden wollen, die mag Kalmus schnell erkennen. Scham ist das stärkste negative Gefühl, heißt es in der Psychotherapie. Kalmus adressiert sicher nicht alle Aspekte davon, aber doch einen Aspekt, der mir persönlich sehr nahe geht: Sich in einer Situation nicht so reif verhalten und ausdrücken können, wie man es könnte und sich daraufhin beschämt fühlen.
Riechet Kalmus! Kalmus kann alles!
Wie kommt man eigentlich zu einem Duft, den man nicht wegen seiner Schönheit kennt? Da frage ich euch, habt ihr über Kalmus einmal gelesen? Was die Wurzel alles kann? Immer wieder liefen mir Duftbeschreibungen über den Weg, die mich glatt umhauten. Auch die Beschreibung bei Thomas Kinkele und Petra Arndt in den „Pflanzenhelfer“-Karten liest sich phänomenal: Der Duft nehme Bezug auf Ausdauer und die Fähigkeit, sich anzupassen (oh, das brauchte ich!), als „Nerventonikum bei seelischen Erschöpfungszuständen führt [er] zurück in die eigene Kraft“ (jaaaa! bitteeee!), er stärke Selbstbewusstsein und Erfolgsstreben, er vereine liebevoll das Körperliche, Geistige und Sinnliche. Ja, man lerne, schwierige Phasen auszuhalten (S. 291).
Also wirklich, das ist doch alles ganz hervorragend!
Und es stimmt…
Ich hätte genauer lesen sollen. Bzw. die Kehrseite der Formulierungen bedenken. Über Entgiftung auf allen Ebenen wurde auch gesprochen.
Nun, wenn man so tief in sich geht und reinigt, dann ist ja klar, dass es erst unangenehm und dann richtig super wird.
Kalmus beherrscht den Tiefgang gut. Der Duft wird schließlich aus einem Rhizom gewonnen, der unter Wasser, tief im Schlamm im Sumpf wurzelt. Es gibt noch einen weiteren Duft, der aus so einer Pflanze kommt – und um es vorweg zu nehmen, mit dem hadere ich auch.
Wasser steht bekanntlich fürs Emotionale und eine tief im Wässrigen wurzelnde Pflanze kann psychisch so einiges losrütteln.
Mit Kalmus auf emotionalem Tiefgang in die Welt (kindlicher) Erinnerungen
Als ich Kalmus das erste Mal roch – und bei den vielen weiteren Malen – flogen mir allerhand unangenehme Gefühle zu. Mein Solarplexus wehrte ab. Den Solarplexus schätzen wir lieber, wenn er Flugzeuge im Bauch verursacht. In der Tat ist er ein Zentrum unserer Abwehr, physisch, aber eben auch psychisch und energetisch.
Ganz wage gesellten sich zu den unangenehmen Gefühlen Bilder der Erinnerung. Da war sie, die fürchterliche Mutprobe der Wassertaufe im (noch von der DDR geprägten) Ferienlager!
Wer die nicht kennt: Die Soljanka vom Vortag wird mit einem Kilo Zucker versetzt. Am Strand neben dem Ferienlager versammeln sich alle Kinder und Betreuer. Nach und nach werden Kinder zur Taufe gerufen. Sie werden von den als Wasserwesen verkleideten Betreuern schließlich eingefangen, weil die meisten wegrennen (und das zum Spiel gehört) und zu einem Boot gebracht, in dem Neptun regiert. Dort wird dem Kind die Nase zugehalten, damit der Mund geöffnet wird und ein großer Löffel Ekel-Soljanka eingeflößt werden kann. Mund zu, Schluckhilfe und dann wird mit Sprühsahne der Kopf und das Gesicht einbalsamiert. Ihm wird dann ein Taufnahme zugeflüstert (der meistens mit dem typischen Auftreten im Ferienlager zu tun hatte). Zum Schluss wird das Kind vom Boot aus ins Wasser geworfen. Es geht zurück an Land und bekommt eine wunderschöne Urkunde mit dem Taufnamen.
Der subjektive Blick – die Welt aus den Augen eines Kindes
Erinnerungswürdige Aktion oder? Da ich öfter im Ferienlager war, kannte ich sie gut und zum Glück wurde ich nie aufgerufen. Ich konnte sogar andere auf dieses Event vorbereiten und sie warnen, wenn es nämlich Soljanka zum Abendessen gab.
Einmal dachte ich, dass es dieses Mal so weit käme und ich nahm meine Beine in die Hand und rannte und rannte und rannte ohne Schuhe (weil ja vom Strand)… tief in den Wald. Zwei oder drei Stunden später kam ich zurück, als alles vorbei war. Ich hatte echt Angst vor dem Taufspiel. Und ich hatte nicht nur Ekel vor der Soljanka. Milchprodukte ließen mir als Kind sofort Übelkeit entstehen – ich hasste Sprühsahne. Und ich hatte Angst vor Wasser, dessen Tiefe ich nicht selbst einschätzen konnte, weil ich einmal in einen Wasserstrudel geriet und selber nicht mehr rauskam.
Von Erinnerung zu Erinnerung – verzahnt und verbunden
Obwohl ich doch schon so gut schwimmen konnte. Ich hatte die Reife und konnte sie nicht umsetzen. Damals kam auch ein Boot, ein Rettungsboot. Es zog die zwei Jungs an Board, mit denen ich dort gefangen war, zuerst den Kleinen, dem ich wahrscheinlich damals das Leben rettete, weil ich ihn minutenlang über Wasser hielt, bis man uns fand. Ich selber wollte aber nicht hinauf an Deck. Ich hing mich ans Boot und ließ mich davon ziehen – hinaufsteigen und zeigen, dass ich gerettet werden musste? Nein, niemals. Ich konnte doch schwimmen! Die Angst vor Wasser, dessen Grund ich nicht sehe, habe ich bis heute.
Ihr seht… ein Duft geht tief. Besonders Kalmus wirbelt auf, was emotional ins Stocken geraten ist und nun den Blick auf die eigene Stärke verschleiert. Es tut gut, sich dort immer mal wieder hinein zu wagen und zu spüren, zu bewegen, zu befreien. Mit dem Blick als Erwachsene können wir Situationen neu bewerten und ihnen die Dramatik und vor allem die eigene Schuld und Verantwortung nehmen.
Das Thema bewältigen
Immerhin bin ich Psycho-Aromatherapeutin und als solche sind mir Düfte, auf die ich mit Ablehnung reagiere, eine willkommene Herausforderung.
Sie weisen mir den Weg zu einem Anteil, den ich in mir selbst ablehne – oder eben zu einem Thema, das Erlösung sucht. Mich störte, dass ich nach all den Jahren immer noch so unverändert und stark auf den Duft reagierte, sodass ich mich eines Tages entschloss, die Kraft des Duftes zu nutzen. Ich begann eine Provokationstherapie. Es gibt ein paar Wege, sich schwierigen Düften zu stellen. Ich wählte die direkteste Methode: Die pure Provokation.
Ich begann den Duft durch das Fläschchen durchzuriechen. Der Schlag in die Magengrube folgte. So stark war der Duft. Aber ich machte es oft und ruhig und bewusst. Bis es nachließ und ich zu einem Riechsalz wechselte.
Meine Träume in dieser Zeit waren wild. Emotional war ich wackelig. Aber ich hatte die Kraft weiter zu machen und durchzugehen. Deshalb aber ist Provokation nichts für jeden – erst recht nicht, wenn ohnehin schon emotionale, mentale oder anderweitige Stabilität fehlt.
Und der Duft heute?
Irgendwann aber ging es. Und so schnappte ich mir heute das Fläschchen und roch und roch und roch. Es ist nach wie vor kein Lieblingsduft. Aber er wärmt nun sanft meinen Magen, klärt meine Gedanken, klärt meinen Blick. Überhaupt hat er ja einen Bezug zu den Augen, denn wenn wir verschwinden wollen, unsichtbar sein wollen, dann reagieren wir eher damit, dass wir selbst blind werden für etwas und zunehmend verschwommen sehen.
Genau diese Gedanken kommen mir, während ich den Duft rieche und beginne über meine eigene Kurzsichtigkeit zu kontemplieren. Ich sollte den Duft öfter wahrnehmen, öfter integrieren und öfter mit ihm bewusst umgehen. Er vermag vielleicht zu lösen, was hinter meiner Kurzsichtigkeit steckt.
Kalmus in der klassischen Heilkunde
Ursprünglich aus Indien kommend und dort in der traditionellen Medizin verankert, ist Kalmus (Acorus calamus) in Europa seit dem 12. Jahrhundert bekannt. In Mitteleuropa gedeiht die Pflanze zwar, doch kommt es nicht zur Fruchtreife. Auch in Nordamerika ist sie bei den Indigenen geschätzt.
Synonyme: Gewöhnlicher Kalmus, Kaninchenwurz, Kaninchenwurzel, Karremanswurz, Karremanswurzel, Schwertheu, Magenbrand, Magenwurz, Nagenwurz, Ackerwurz, Würtzriedt, Gewürzkalmus, Rotting, Zehrwurz.
Das ist das, was ich an Pflanzen im Allgemeinen und an Düften im Besonderen liebe: Sie wirken manchmal ziemlich gegenteilig auf uns. Das fordert unser Denken heraus. Nichts ist eben nur schwarz oder weiß und Gesundheit besteht in der Balance, im feinen austarierten immer in Bewegung befindlichen Maß. Kalmus, das Rhizom (nicht das Öl), ist als Bittermedizin ein traditionelles Magenheilmittel. Als ich es roch (und ich kenne einige mehr mit der gleichen Reaktion) schlug es mir aber sofort auf den Magen. Es war zu viel. Das Thema.
Glücklicher Bauch – glücklicher Kopf
Wenn man sich drauf einlassen kann, wirkt Kalmus sehr entspannend auf das Verdauungssystem und reinigt alle Stockungen darin. Ein befreiter und entspannter Bauch macht bekanntlich glücklich und so wirkt das Kauen auf der Wurzel tatsächlich stimmungsaufhellend. Übertreibt man es mit der Dosis gesellen sich alsbald Halluzinationen hinzu. Das Asaron wird dafür verantwortlich gemacht. Das ist ein Phenylether, der in alpha und beta Form im ätherischen Öl landet und dort bis zu 80% ausmachen kann (bei Ölen aus Indien – bei Ölen aus Russland sollen nur 6% Asaron enthalten sein, schreibt Eliane Zimmermann, S. 301). Deshalb ist Kalmusöl auch ein mit großer Vorsicht zu bedenkendes Öl. In der klassischen Aromatherapie mit körperlicher Applikation findet es deshalb keine Verwendung. Das Potential in der Psycho-Aromatherapie ist euch heute vielleicht ein Stückchen näher gekommen.
Übrigens: Wir sind schließlich in den Raunächten und hier gehört es sich zu räuchern. Als Räucherstoff ist Kalmus tausendmal angenehmer. Wer arge Probleme mit dem ätherischen Öl hat, kann sich auch über das Räuchern an die Thematik wagen – ganz sanft, viel liebevoller.
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