Artemisia Arten sind in der Phytotherapie, also der Pflanzenheilkunde, hoch geschätzt und wohl bekannt. Beifuß und Wermut – wer kennt sie nicht? Sie stecken voller ätherischer Öle und ihr aromatisches Spektrum ist es auch, das Verdauungsschnäpse, Heiltees und Präparate füllt. Doch begegnen wir ihnen in der klassischen Aromatherapie kaum. In der Psycho-Aromatherapie und in der systemischen Aromatherapie aber sind sie willkommen. Und es scheint, dass neuere Forschungsergebnisse die Türen selbst für die klassische Aromatherapie etwas öffnen.
Artemis – die Göttin der Jagd
Wenn Heilpflanzen der Aphrodite (römisch Venus) geweiht waren, so wissen wir um die Bedeutung in der Frauenheilkunde und der Schönheitspflege. Dazu gehören dann nicht selten Narbenpflege, Wund- und Hautpflege im Allgemeinen. Aber was ist mit Artemis?
Hier haben wir es mit einer ganzen Reihe eher außergewöhnlich riechender Kräuter zu tun, deren Duft so herausfordernd sein kann wie die Vorstellung einer jungen durch die Wälder ziehenden Frau, die Jagd auf Männer macht, sich nie bindet (deshalb als jungfräulich bezeichnet wird) und ein naturverbundenes eben wildes Leben führt. Artemis weiß um die Geheimnisse von Kräutern in Krisensituationen.
Artemisia Düfte für Krisen-Situationen
Kürzer könnte man die Thematik der Artemisia-Kräuter wohl nicht beschreiben. Artemis konnte Seuchen und plötzliche Tode zu den Sterblichen schicken. Gleichzeitig war sie die Beschützerin der Kinder und Tiere. Sie galt als jene Weisheit, die im Falle von Geburten die richtige Ansprechpartnerin war. Welch‘ Mächte in jenen Situationen existieren! Alles oder nichts. Krise. Und um sich aus ihnen zu befreien, braucht es zielgerichtete Ausrichtung und Energie, wie sie in den Pfeilen der Artemis dargestellt sind.
Die bittere Wahrheit
Beifuß und Wermut kennen wir als Bittertonika. Bitter stärkt uns. Und Bitterstoffe haben wir zivilisierten Völker zunehmend aus unserer Nahrung herausgezüchtet. Dabei braucht unser Verdauungssystem genau diese Stoffe, um gut zu funktionieren. Bauchspeicheldrüse und Leber leben mit ihnen auf. Und diese sind Voraussetzung für einen intakten Darm. 85 % unseres Immunsystemes sitzen im Darm. Und die schwedischen Ärzte, die sich mit täglicher Einnahme von Schwedenbitter in ein hohes Alter gebracht haben, wussten darum.
Während wir uns häufig erst wieder an bittere Kost gewöhnen dürfen (ein häufiges Thema in meiner Praxis), reagieren wir auch zunehmend ängstlich, wenn es um die bittere Wahrheit in unserem Leben geht. Auch die wollen wir oft nicht sehen und machen einfach weiter in unserem Trott.
Erkenntnis ist der erste Schritt zur Heilung
Mit Düften von Artemisiagewächsen werden wir jedoch mit jener bitteren Medizin konfrontiert. Wir müssen realisieren, wo wir wirklich stehen und dass es uns nicht dient. Es macht uns krank, uns zu verraten, nicht zu uns zu stehen, zu lange gegen uns selbst anzukämpfen, zu lange irgendwelchen Gedankenmustern zu folgen, weil wir einfach glauben, dies tun zu müssen. Jede Artemisia-Art hat dabei ihr eigenes Thema und ihren eigenen Zugang.
Artemisiadüfte in Verwendung und im Handel
Die klassische Aromatherapie kann mit Artemisiadüften nichts anfangen. VIel zu reich sind sie an Ketonen, oftmals Thujon. Aromamassagen und innere Einnahme (in Frankreich durch Ärzte verschrieben) fallen vollkommen aus einer sicheren Anwendung heraus. Ketone reichern sich schnell in der Leber an und wirken daraufhin lebertoxisch.
Bewahrer der Artemisiadüfte war die Parfümindustrie. Wer hätte geglaubt, dass diese damit vor allem in ihren Kopfnoten spielt? In maskulinen Chypre und in ledrigen Düften finden wir Artemisiaakzente:
- Caron – Yatagan (1976). Mit Wermut.
- Guerlain – Derby (1985)
- Bernard Chant – Aramis (1959)
- Ralph Lauren – Polo
- Serge Luten – Douce-Amère. Mit Wermut.
- Givenchy – Xeryus. Mit Estragon im floralen Fougère Akkord.
Davana
Am zugänglichsten ist vielleicht Davana (Artemsia pallens) aus Indien, das krautig und gleichzeitig nach in Rum eingelegten Trockenpflaumen riecht (wirklich!). Hier rumort eine Heilanwendung bei Eierstockzysten, aber ich finde leider keine Referenz mehr dazu. In meinem Buch »Vom Geist in der Flasche – Band 1« beschrieb ich die psycho-aromatherapeutische Indikation ausführlicher.
Gemeiner Beifuß
Beifuß (Artemisia vulgaris) ist so reich an Thujon, dass es oft schon reicht, ein paar Atemzüge aus der Flasche zu nehmen, um ordentliches Kopfdröhnen oder gar Kopfschmerzen zu provozieren. Wir wissen um Wirkungen auf Neurotransmitter und Hormone auf Hypophysenebene.
Strauch-Beifuß
Ähnlich verhält es sich mit den sehr verwandten Artemisia arborescens (im Englischen heißt es einfach Großer Beifuß, hierzulande Strauch-Beifuß, Silberwermut, Stabwermut). Er liefert in großer Ausbeute eines der chamazulenreichsten Öle, das den leicht darunter liegenden beta-Thujon-Gehalt hervorragend kontert. Er wird als Therapeutikum bei Autoimmunerkrankungen gehandelt und führt psychisch beispiellos in die eigene Stille und Kraft.
Moxakraut und Chinesischer Beifuß
Das Moxakraut und der Chinesische Beifuß (Artemisia sinensis und Artemisia moxa) sind Borneol-reicher und ihr Einsatz ist in Heilpraxen verbreitet. Im Fokus steht bei der Moxibution die tiefe Erwärmung und Stimulation des yang durch das verglühende Moxakraut über einem Akupunkturpunkt.
Wermut
Estragon
Estragon (Artemisia dracunculus) ist dann doch noch ein bekannter Name der Aromatherapie. Denn dies wird – mit Vorsicht – durchaus öfter erwähnt. Das Öl enthält kaum Thujon, doch sein hoher Gehalt an Estragol bzw. Methyl-Chavicol (bis 75 %) ist kritisch und zumindest Tisserand und Balacs (1995) warnen vor dem Einsatz gänzlich. Wenn es mit Vorsicht (und nicht bei Kindern, in der Schwangerschaft und Stillzeit) eingesetzt wird, ist es nach Kurt Schnaubelt eines der besten Krampflöser und hilfreich bei Schmerzen, Krämpfen und zur Entstauung des Atemtrakts geeignet. Wir finden es daher mit ausführlichen Profilen in unseren Aroma-Standardwerken.
Chance, Herausforderung, Toxisch – Artemisia Düfte verdienen Respekt
In der Psycho-Aromatherapie und Systemischen Aromatherapie sind diese Düfte wegen dem oben genannten Überthema ganz wichtig. Sie helfen uns, Glaubenssätze zu überwinden, in Krisensituation die Reißleine zu ziehen und neue Wege zu gehen. Das sind Themen, die immer bedeutender werden in unserer heutigen Zeit. Die Artemisiadüfte neu zu entdecken und z. B. über bewusstes Riechen Prozesse in sich zu begleiten, ist eine große Chance geworden. Aber es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen. Denn solche Prozesse brauchen Kraft. Wer diese nicht hat, begegnet den herausfordernden schädlichen Einflüssen der Düfte. Dann rauben sie uns nämlich nur noch mehr Energie und überreizen und schädigen unser Nervensystem, werden neurotoxisch. Wir haben glücklicherweise eine Instanz in uns, die genau Bescheid weiß, ob wir mit dem Thema und dem Duft umgehen können oder nicht: Unsere Nase. Können wir einen Artemisia-Duft riechen bzw. riecht er angenehm für uns, dann können wir uns ein bisschen mit ihm beschäften. Drückt und dröhnt es aber gleich im Kopf oder wird er anstrengend, dann sollten wir auf Abstand gehen.
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