Libanon-Zeder, Cedrus libani, ist hochgradig geschützt und ein Öl von ihr fast nie im Handel. Ihre Geschichte erzählt uns von Nachhaltigkeitssorgen, aber mehr noch vom Überwinden des Sterbens. Mich fasziniert der Baum, seit ich zum ersten Mal von Zedern hörte. Damals wusste ich noch nicht warum. Dieser Artikel macht es vielleicht selbst für mich zum ersten Mal greifbar. Meine erste Libanon-Zeder sah ich im Botanischen Garten in Oslo. Von dort stammen einige der Detailbilder hier im Artikel.

Gebaut für’s ewige Leben oder Sterben?

Wer kennt sie nicht, die Geschichte um König Salomon, der den Tempel zu Jerusalem aus Libanon-Zeder und Mittelmeer-Zypresse errichten ließ? Durchdrungen von ätherischem Öl, das pilzhemmend auf holzzerstörerische Pilze wirkt und gleichzeitig eine starke Stabilität aufweist, war es rein bautechnisch eine hervorragende Materialwahl. Bewährt war sie bereits als Bauholz für Schiffe, für Türen und allerlei Elemente, denen man Schutzcharakter zuschrieb. Denn mit dem rein Äußerlichen ist es nicht getan. Alle Cedrus-Arten bieten auch einen geistigen Schutz. Man könnte also anbringen, dass so ein Tempel das Innere auch geistig schützen sollte. Es trennt das Mundäne vom Heiligen. Doch nun wissen wir auch, dass der Tempel nicht ewig stand.

Der Herodianische Tempel im Nachbau im Israel Museum, Jerusalem

Vom Errichten, Zerstören und Verwandeln

586 v. u. Z. wurde der 1. Tempel in Jerusalem zerstört und das Volk entführt nach Babylon. Als die Judäer aus diesem Exil zurückkehrten, wurde ein 2. Tempel um 515 v. u. Z. erbaut, wiederum mit der Libanon-Zeder. Der Tempelberg blickt hinunter auf das Kidrontal. Da Cedrus auf kedron zurückgeht, was Stärke heißen soll, ist es vielleicht ein Tal voller Libanon-Zedern gewesen. Der Tempel wurde öfters umgebaut, unter Herodes stark erweitert und neu konzipiert. Bis er wiederum bei einer römischen Eroberung im Jahre 70 n. u. Z. geplündert, in Brand gesetzt und damit zerstört wurde.

In der Zeder scheint ein Gegensatz zu herrschen: Ewiges Leben und Ewiges Sterben. Beziehungsweise lässt es dies so lange erfahren, bis wir uns mit ihr gegen diesen anstrengenden Kreis entscheiden und auf eine neue Ebene transformieren. Einen 3. Tempel gab es nicht mehr im Materiellen. Er ist der Glaube selbst. Dies zu zerstören, dürfte unmöglich geworden sein. Dass dies heute nicht einheitlich so verstanden wird und es tatsächlich versucht wird, einen materiellen 3. Tempel zu bauen und dabei immer wieder zu provozieren (denn er soll auf dem Tempelberg errichtet werden, auf dem immerhin der islamische Felsendom und die Moschee stehen), sei der Vollständigkeit halber erwähnt.

Transparente Flasche mit Schafgarbenöl - schwarz mit Blauschimmer - wikimedia

Das Sterben überwinden

Räuchern

Libanon-Zeder hat eine lange Geschichte in der Verwendung. Es wird vermutet, dass sie der erste Räucherstoff der Menschheit war. Mesopotamier schlugen die Zeder im heutigen Libanon und brachten sie in die Städte des fruchtbaren Landes zwischen Euphrat und Tigris zu Räucherungen. Ihre Verwendung begann somit wahrscheinlich zu spirituellen, geistigen Zwecken, statt als Baumaterial. Das kennen wir schon vom Getreide, das zunächst von Frauen zu Bier gebraut und für gemeinschaftsbildende Zustände und geistige Kontakte genutzt wurde und erst später auch zur Mehlherstellung für Brot diente.

Räuchern diente zur Rückverbindung, die der Suche nach dem gewidmet ist, was ewig ist. Dies ausgerechnet mit Libanon-Zeder begonnen zu haben, wäre schon symbolisch. Sie hilft, wie auch ihre Verwandten, Konzentration in der Kontemplation zu wahren.

Vor Verrottung schützen

Es ist auch nicht nur als bloßes Gefäß zu verstehen, als in Libanon-Zeder-Truhen Bücher aufbewahrt wurden. Die Kostbarkeiten wurden einerseits tatsächlich konserviert und vor Verrottung geschützt, aber auch eine geistige Kompenente dürfen wir nicht ignorieren.

Schließlich verwendeten die Alten Ägypter Zedernauszüge in der Mumifizierung ihrer Toten, die ihr Leben nun anderweitig fortführten.

 

Länger gesund leben

Auch die medizinische Verwendung verweist auf den Wunsch, mit der Zeder den Tod zu überwinden. Sie fand Eingang in das berühmte Gegenmittel Mithridatikum. Das ist eines der ältesten Antidote und Panacea, das sich auf den pontischen König Mithridates VI. Eupator bezieht, welcher seit seiner frühen Jugend mit Giften und Gegengiften experimentierte. Die Kunde lautet, er habe mit seinem Leibarzt eine bestehende Kräutermixtur aus Anis, Fenchelsamen und Kümmel (welche als Rezept in die Mauer des Asklepieion von Kos eingemeißelt war) auf 54 Ingredienzien erweitert; eine davon Libanon-Zeder. Der Rest liest sich weniger appetitlich mit Entenblut und Krötenfleisch. Kaiser Neros Leibarzt gab noch Vipernfleisch und anderes hinzu und kam damit auf 60 bis 80 Inhaltsstoffe. Das ganze wurde dann Theriak genannt. Den kennen wir bis heute. Zum Glück wieder in abgespeckter Form. Das ursprüngliche Thema der Verdauungsanregung steht heute wieder im Fokus – und auf genau dieser Weisheit beruht auch das Lebenselixier der Schwedenkräuter und Gesundheit im Ayurveda: Ein jede Krankheit beginnt im Darm, heißt es. Und so macht selbstverständlich die Beziehung zur Libanon-Zeder zur Überwindung von Krankheit und Sterben Sinn.

Überleben

Den scheinbaren Widerspruch erwähnte ich schon oben, aber man darf ihn sich zu besserem Verständnis tatsächlich noch einmal genauer anschauen: Sterben hat viel mit Leben zu tun.

Es ist überliefert, dass Avicenna mit dem Rauch der Libanon-Zeder die Einleitung von Abtreibungen unterstützte. Um es vorweg zu nehmen: Die Cedrus-Zedern sind in der Aromatherapie nicht als abortiv bekannt. Als Zedern bezeichnete Juniperus-Arten aber sehr wohl – also Vorsicht. Cedrus-Arten enthalten ätherische Öle, die in physiologischer Dosierung (guter Verdünnung) sehr sicher sind. Sie werden aus dem Holz gewonnen und sind reich an Sesquiterpenen (so es denn echte, reine Öle sind), welche eine psychische und materielle Stabilität vermitteln – solche Öle reifen zudem toll nach. Und dennoch muss man über diese Geschichte Avicennas stolpern.

Julia Karpova bei der Achillea ligustica Ernte

Psycho-Aromatherapie am Beispiel

Meine Untersuchungen zur geistigen Kraft der Pflanzen und Düfte sind bisher erst für die Atlas-Zeder, Cedrus atlantica, gediegen (und in meinem 1. Buchband veröffentlicht): Es dreht sich bei ihr viel um kognitive Konzentration, um sich von angsteinflößenden Phantasmen zu distanzieren, die einen sicheren Weg verhindern. Problemlösungen für durchaus komplexe Fragestellungen werden möglich. Ich nenne sie auch den Philosophenduft. Im ersten Satz aber findet sich der Grund für Avicennas Einsatz: Zeder verhindert das Aufbauen von Angst. Eine Abtreibung ist nie leicht und es steht immer im Fokus, das eigene Überleben zu sichern. Dank moderner Medizin ist sie zumindest wesentlich sicherer geworden. Wenn man sich dank Zeder klar auf diesen Weg konzentrieren und gleichzeitig vor überbordenden angstvollen Gedanken schützen kann, dann ist sie eine weise Unterstützung in diesem Prozess. Die konzentrierte geistige Ausrichtung gibt das Signal auf alle Ebenen weiter. Dann jedoch braucht es weitere Hilfen.

 

Julia Karpova bei der Achillea ligustica Ernte

Libanon-Zeder – Lehrmeisterin von Form und Geist

Im metaphysischen Gedanken, in dem Zeder in der Menschheitsgeschichte verräuchert wurde, wird ewig gelebt; nur die Form wandelt sich.

Der Wunsch, etwas Materielles für die Nachwelt zu erhalten, manifestiert sich in den konservierenden Wirkungen des ätherischen Öls aller Cedrus-Zedern. Wenn die Zederntruhen die Bücher nicht mehr erhalten können, ist die Zeit schon so fortgeschritten, dass wir mit Buchdrucktechniken oder gar Digitalisierung zu einem weiteren Leben verhelfen können. Die Form ändert sich, aber der Geist bleibt erhalten.

Nachhaltigkeit: Zedern schützen (sich)

Von der Libanon-Zeder gibt es heute nichts mehr im Handel. Kein Bauholz, kein Räucherholz, kein ätherisches Öl oder Hydrolat. Die Menschheit hat Libanon-Zeder für alles Mögliche intensiv genutzt, vor allem eben zum Bauen von Schiffen und Gebäuden, die lange halten sollten. Es mag der erste Räucherstoff der Menschheit gewesen sein, aber dann mag es vielleicht auch die erste Pflanze gewesen sein, die Menschen durch Übernutzung an die Schwelle des Aussterbens gebracht haben. In den Bergen Libanons wurden Nationalparks eingerichtet. Ebenso in der Südtürkei, wo die Libanon-Zeder auch durch Anpflanzungen überleben sollte. Der Handel wurde radikal verboten. Das kommt äußerst selten vor. Auch hier scheint die Zeder einen ganz konzentrierten Weg zu gehen, um sich zu schützen. Heute hat sich der Bestand erholt, aber klimatische Herausforderungen stellen ihn noch nicht als sicher dar. Sehr sehr selten kommt in ganz geringem Umfang ein ätherisches Öl in den Handel, das aus Holz durch Parkpflege gewonnen werden konnte.

Baumholz aus Plantagen

Sämtliche ätherische Öle und Hydrolate, welche aus Baumhölzern gewonnen werden, sind potentiell als kritisch einzuordnen. Es gibt es jedoch Unterschiede: Wird das ätherische Öl nur im Kernholz gefunden (Sandelholz), in kleinen Teilbereichen des Holzes (Adlerholz) oder im gesamten Holz? Letzteres ist die sanfteste Form, denn dazu braucht es nur (heruntergefallene) Äste. Für Cedrus-Arten gilt dies glücklicherweise. Schauen wir uns statistische Daten an, werden wir mit Erschrecken feststellen, dass der Atlas-Zeder-Bestand nun unter dem der Libanon-Zeder angegeben ist. Es ist erfreulich, dass Menschen hier doch etwas aus der Geschichte gelernt haben, denn in Nordafrika gibt es schon länger extra Plantagen. Ferner werden die Bäume nicht geschlagen, sondern es werden Äste und Zweige genutzt. Doch gibt es auch noch immer vereinzelt Wildsammlung, die wir hier nicht brauchen. Das Öl aus den Plantagen ist hervorragend. Fragt daher gern bei euren Lieblingsfirmen nach, woher der Rohstoff oder das Öl bezogen wird.

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