„Eh! Lavandin, dieser billige Wäscheduft!“

Wenn ihr auch so denkt oder zumindest der Auffassung seid, mit Lavandin hätte man minderwertigen Lavendel in der Hand, dann dürfte dieser Artikel ein neues Kapitel aufschlagen, eine Korrektur bewirken, eine neue Wertschätzung entstehen lassen. Soweit zumindest meine Hoffnung.

Ganz klar: Für mich ist Lavandin ein richtig guter Duft! Ich mag ihn viel lieber als den Echten Berg-Lavendel. Nur wenn der Berg-Lavendel aus richtig hohen Höhen und Wildsammlung kommt, finde ich den auch so toll. Aber auch dann ist Berg-Lavendel ungleich Lavandin. Aus gutem Grund, denn es sind verschiedene Arten, mit ihrem eigenen thematischen Aspekt. Auf geht’s in die 7. Raunacht:

Mach mal Pause!

Damit ist eine Kernbotschaft des Lavandins eigentlich schon gefasst: Mach mal Pause, nimm doch mal frei. Du darfst. Hab keine Angst. Du wirst nichts verpassen und andere kommen auch mal ohne dich zurecht.

Bei so viel guten Zurufen und Beschwichtigungen kann es sich nur um einen „guten“ Duft für mich handeln. So oft hat er mir allein im nun vergangenen Jahr geholfen. Mit der einen Hand hielt ich den Duft an die Nase, die andere führte ich unbewusst jedes Mal wärmend zum Herz. Dann folgte ein Seufzer. Ach ja… wie recht du hast, Lavandin.

 

 

Kleine Lavendel-Kunde

Es gibt 4 zentrale Vertreter der Lavendel-Gattung, die viele, auch ohne Aromatherapeutinnen zu sein, benennen können:

 

  • Berg-Lavendel: Lavandula angustifolia oder auch Lavandula officinalis. Im Handel gern mal unter den Namen Lavendel fein oder Lavendel extra oder Hochland-Lavendel verfügbar. Letzter, wenn er aus besonders hohen Höhen stammt. Dann ist er besonders kinderfreundlich, enthält viel mehr zentrierende und beruhigende Ester. Über den Berg-Lavendel schrieb ich ausführlich im letztjährigen Raunachtskalender, sodass ihr gerne noch tiefer einsteigen könnt.
  •  Speik-Lavendel: Lavandula latifolia ist der Lavendel mit extra Pepp. Er hat ein paar Ketone im Gepäck, deshalb ist er nichts für Kinder. Manchmal braucht es aber die extra Portion Anregung für einige Leute, um zur Ruhe zu kommen. Beobachtet das mal: Es gibt Menschen, die sind zu erschöpft, um gut zu regenerieren. Das ist auch der Fall bei konkreten Angsterkrankungen, spezifischen Ängsten. Speik-Lavendel ist der erste Duft, an den ich dann denke.
  • Lavandin: Lavandula x intermedia. Das x ist in der botanischen Nomenklatur der Hinweis für eine Kreuzung. Lavandin selbst ist nicht reproduktionsfähig, seine Blüten sind steril. Aber durch den Wind verbinden sich ganz natürlich ständig neu die Pollen und Narben vom Speik-Lavendel und denen des Berg-Lavendels. Et voîlà – Lavandin. Im Handel ist er auch unter dem Namen „Lavendel süß super“. Also nicht in die Irre führen lassen und am besten immer auf den botanischen Namen achten. Süß übrigens, das finde ich gut getroffen.
  • Schopf-Lavendel: Lavandula stoechas. Diese Schönheit dürfte vielen eher aus dem gärtnerischen Bereich bekannt sein. Die Lavendelblüte besteht aus vielen aufgereihten kleinen tief violetten Blüten und oben drauf winkt ein hell-violetter Schopf. In der klassischen Aromatherapie findet er keine Verwendung. Ihn gab es nirgends als ätherisches Öl zu kaufen, bis sich zunehmend die Psycho-Aromatherapie im deutschsprachigen Bereich herausbildete. Deutschland ist eines der wenigen Länder, die das Öl im Verkauf hat. Es ist wirklich stark, sehr ketonhaltig, geht an geistige Prozesse, die wirklich nicht jedem zusagen, wirkt auf kollektiverer Ebene. Für Kinder ist er selbstverständlich tabu. Kinder leben haben mit ganz anderen Themen zu tun.

Alle 4 Lavendel-Düfte habe ich unter dem Thema Abgrenzung in meinem 1. Buch vergleichend differenziert, weshalb ich hier nicht mehr extra darauf eingehen muss. Das Hauptthema, das alle Lavendel-Arten vereint, ist die Frage nach dem eigenen Raum, der in Beziehung mit anderen geht. Habe ich genug eigenen Raum, in dem ich mich ausdrücken kann, frei sein kann, ich sein kann? Auch beim Kapitel zur Angst schreibe ich von einigen Lavendeln. Speik-Lavendel mit seiner konkreten Angst, PTBS z.B. oder auch Lavandin.

Diffuse Ängste, die ängstliche Persönlichkeit

Es gibt Menschen, es gibt Phasen im Leben, es gibt einzelne Situationen, bei denen regiert so eine ganz diffuse Unsicherheit. Man kann es nicht benennen, wovor man eigentlich Angst hat und erst recht will man nicht hinschauen. Man scheint ja echt unsicher zu werden, Muffensausen zu bekommen, wenn man sich dem nähert. Das kann ja nur eine weise Vorwarnung unseres Körpersystems sein. Also, lieber nicht hingucken.

Genau damit macht Lavandin Schluss: Wer bist du, der du es wagst, mir meinen Raum unsicher zu machen, die Grenzen streitig zu machen – mich nicht mehr wissen zu lassen, wie viel Raum ich überhaupt für mich habe! Zeige dein Gesicht!

Ihr könnt euch denken, was dann passiert, oder? Wenn so ein fiktives Geschwurbel, das man nur durch die eigene Unsicherheit und Erwartung hat wachsen lassen, endlich adressiert wird, dann löst es sich in Luft auf. C’est vraiment. Endlich Pause vom ganzen Stress!

Meine beste Freundin im Kindergarten war so eine. Wirklich viel erinnere ich nicht mehr, aber ein Bild hat sich eingebrannt, weil es einfach immer wieder passierte: Ich kam morgens im Kindergarten an, war schon ganz aufgeregt wieder allesamt zu treffen und vor allem eben meine Freundin. So bog ich in das Gruppenzimmer, einmal nach links und dort saß sie schon auf dem mit Straßen bedruckten Teppich (die kennt ihr doch auch noch?) und kratzte sich überall. Spinnen! Überall seien sie. Meine psychotherapeutische Karriere begann früh.

Körperliche Wirkungen des Lavandins

Heute würde ich der Mama vielleicht zu Lavandin raten (aber nur in genauer Absprache, weil Lavandin eben doch Ketone (Borneon und etwas 3-Octanon) beinhaltet, die für Kinder weniger gut sind). Denn Lavandin wirkt entzündungshemmend bei Juckreiz. Auch wenn dies ein psychogener Juckreiz ist – ein kühlender beruhigender Impuls für die Haut, an der man eine Grenzüberschreitung etwaiger Natur wahrnimmt, wirkt auch dann.

Die Haut ist unsere ultimative Grenze und so ist Lavandin – und nicht nur der Berg-Lavendel – so fantastisch gut bei Hautgeschichten: infizierte Hauterkrankungen, Allergien, Schürfwunden, Narben, Krampfadern, Verbrennungen.

 

Bei rheumatischen Schmerzen wirkt Lavandin stark schmerzstillend. Hier wird deutlich, dass es selbstverständlich schmerzstillende Inhaltsstoffe gibt, aber auch die psychogene Komponente von Lavandin angesprochen wird. Bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreis ist der eigene Raum auf psychischer Ebene kompromitiert, wobei die Grenzüberschreitung nicht von außen kam, sondern von innen. Wir haben uns selbst überfordert. In welcher Hinsicht, zeigt die individuelle Erkrankung.

Schließlich spricht Lavandin auch Herzrasen an. Das jedoch muss „vom Herzen kommen“, wenn Lavandin helfen soll, da es tatsächlich physisch das Herz stärkt. Allerdings ist auch die Stressachse wesentlich beruhigt, wenn uns diffuse Ängste nicht mehr in Daueraufmerksamkeit und Nervosität versetzen.

Woran man bei den Lavendeln weniger denkt, ist ihre leicht blutverdünnende Eigenschaft. Dies ist wohl auch der Berg-Lavendel im Lavandin (wir erinnern uns, letzterer ist ein Hybrid), denn beide zeigen die Wirkung auf die Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes, mit verbesserter Sauerstoffaufnahme. Auch die „Haut“ der Blutgefäße wird durch die zwei geschützt, wenn sie entzündet ist (Phlebitis).

Lavandin – meine Wellnessbehandlung

Wenn ich – zumeist vor lauter Leidenschaft gegenüber meinen vielen Tätigkeiten und Forschungsgelüsten – mal wieder super gestresst bin und mir mein Mann dringend zu einem Naturspaziergang rät (er hat gelernt!), dann weiß ich, dass ich eine tiefe Nase von irgendetwas aus meinen Ölboxen nehmen sollte.

Mein erster Griff, ich gebe es zu, ist dabei immer erst die Melisse. Meistens denke ich, ich habe einfach wieder viel zu viel Zeugs aufgeschnappt und ich sollte mich von dem trennen, was nicht zu mir gehört. Doch in einigen Fällen hilft sie mir nicht. Dann muss ich zum Lavandin greifen und mein Erlösungsseufzer folgt sofort.

Es ist dann, als käme ich frisch aus einer Gesichts- und Kopfmassage, im kuscheligen Bademantel eingehüllt und mit einem Detox-Drink ausgestattet. Genau das, was ich brauchte.

Außerdem weiß ich dann, dass es einmal wieder meine diffusen Ängste waren, die sich aufgebaut haben. Zuviel war los, zu viel kann schief gehen. Lavandin muss her.

 

Die eigene dufte Helferbox

Es ist wirklich hilfreich, eure Düfte, die ihr daheim vielleicht schon angesammelt habt, gut kennenzulernen. Wann helfen sie euch, in welchen Zuständen?

Ihr werdet feststellen, dass ihr ein paar Öle gar nicht so sehr für euch einsetzt und sie wohl für Familienmitglieder (oder natürlich für KlientInnen) gekauft habt. Während ich meine persönlichen Helfer schon ziemlich gut kenne, bin ich noch dabei die Helferbox für meinen Mann zu vervollständigen. Wir haben kein einziges Öl, das wir beide als „gutes“ Öl so unbedingt brauchen. Wo ich den Lavandin brauche, braucht er z.B. den Speik-Lavendel.

Solche Studien intensivieren euren Kontakt mit den Pflanzen und mit der Natur und lassen euch nicht nur über die Verschiedenartigkeit unserer Bedürfnisse staunen, sondern sie eben auch würdigen. Diversität gehört überall hin.

Erstellt euch also eure eigene kleine Helferbox. Welches sind die Düfte, die ihr immer wieder aufsucht, um Rat fragt, zum Stärken riecht? Welches Öl lässt euch seufzend die Überspannung aus dem Körper gleiten? Und welche Düfte lehnt ihr so deutlich ab, dass sie auch ein Plätzchen in eurer Box verdient haben – natürlich in der hintersten Ecke und nur für die tollkühnen Momente? Lernt euch und eure Familie noch einmal neu kennen.

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