Für die folgenden Gedankengänge zum Destillieren darf ich Ines @soleone.pantelleria danken, denn einst von ihr eröffnet, macht es so viel Sinn! Als Paradebeispiel für diese Idee portraitiere ich (einmal wieder) die (geliebte) Wilde Möhre. Die ganzheitliche Betrachtung von Körper und Geist erklärt vieles.

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Beim Destillieren die Wurzeln nicht vergessen

Von unserem traditionellen Wissen über Destillation ist nicht viel in unsere Zeit gerettet worden. Die Technik selbst bietet einiges, aber was uns fehlt, sind die vielen Erfahrungswerte zu den einzelnen Pflanzen. Was wird wie und wie lange destilliert? Jede Pflanze hat eigenes zu bieten. 

Im Italienischen bietet Marco Valussi sowohl Destillationskurse, kreativen Forschungsinsput als auch ein dickes Buch* mit Beschreibungen zu jeder Pflanze. Das Buch wurde in keine weitere Sprache übersetzt und mir ist keines in deutscher oder englischer Sprache bekannt, welches so detailliert und divers über die einzelnen Destillationen der Pflanzen spricht. Wir haben im Deutschen letztlich nur die auf persönlichen (und nicht tradierten) Erfahrungen basierenden Hydrolatebücher von Susanne Fischer-Rizzi*, Ingrid Kleindienst-John* und Eliane Zimmermann*, welche einen kleinen Einblick geben. Ein paar Daten finden sich auch in wenigen Aromafachbüchern im Deutschen, doch hinterlassen sie in der Praxis mehr Fragezeichen und sind wenig brauchbar.

Dennoch haben sich hier und da einige feste Regeln eingeschlichen: Von der Angelika wird am liebsten die Wurzel destilliert, wobei es auch Samenöl im Handel gibt. Von der Wilden Möhre wiederum werden die Samen und nichts anderes destilliert, weshalb das Öl im Handel auch Karottensamenöl heißt. Da stolperte ich regelmäßig drüber und fand es immer falsch für mich, nicht die Pflanze zu benennen, sondern den Pflanzenteil.

Dogmen: Sinn und Hindernis

Der Hintergrund dieser Quasi-Tradition ist die Überlegung, wo wann viel Öl drin steckt. Das führt zu höherer Ausbeute und zu bestimmten biochemischen Profilen. Einerseits hilft es, um weniger Pflanzenmaterial einzusetzen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der ausdestillierte Rest auch entsorgt werden darf. Der ist, vor allem wenn es große Mengen von großen Destillen sind, auch nicht immer unproblematisch durch Anreicherung von Stoffen – ganz genauso wie das gewonnene reine ätherische Öl ja auch gewässerschädlich etc. sein kann. Destillation ist ein Prozess der Trennung und Zusammenführung zum Erhalt hochprozentiger, angereicherter Produkte.

Andererseits verlieren wir dabei schnell den Blick für’s Ganze. Es ist, wenn man weiß, warum man es tut, durchaus sinnvoll sich auf bestimmte Pflanzenteile zu beschränken. So können zum Beispiel sanftere Öle für die Haut gewonnen werden, wenn statt dem ganzen Wacholder nur die Wacholderbeeren destilliert werden. Aber es gibt auch das Beispiel der Rosengeranie, deren Blätter gern weit nach der Blüte oder weit vor der Blüte destilliert werden, um eher citronellige Noten und eine höhere Ausbeute zu haben. Das Öl wird nämlich verstärkt zur Insektenbekämpfung eingesetzt und dafür ist es dann sinnvoll. Kleine Aromamanufakturen entdecken wiederum, dass es für Aroma und Wirkung viel passender ist, die Rosengeranie zur Blütezeit mit den Blüten (die selbst kaum duften) zu destillieren. Geringere Ausbeute, aber rosigerer feinerer Duft.

Ja und dann gibt noch den alchemistischen Blick aus etwas Ganzem wiederum etwas Ganzes zu erschaffen. Auch eine Wacholderbeere ist ganz, doch ist sie Teil von etwas noch größerem Ganzen, dem Wacholderstrauch. Man könnte also auch alles von ihm destillieren. Tatsächlich gibt es Wacholderöle mit Nadeln, Holz und Beeren vereint, welches sich für rheumatische Indikationen wiederum besser eignen als reine Beerenöle.

Von allem etwas: Eine rundere Destillation

Aber warum nicht zu den klassischen Pflanzenteilen in Destillationen auch immer etwas von den anderen Pflanzenteilen hinzugeben? Als wir bei der Aromareise auf Pantelleria in 2020 die Sämenstände des Meerfenchels sammelten, sorgten wir auch für einen guten Anteil an Blättern im Sammelkorb. Zum Schluss zog Ines dann von einigen Pflanzen auch die Wurzeln mit und legte sie zum Destillationsgut. Sie erzählte, wie wichtig es für sie geworden ist, auch diesen Teil der Pflanze hineinzubringen in die Information des Öls und Hydrolats. Die Wurzeln, die uns so verloren gegangen sind, entdecken wir endlich wieder. Wir merken, dass wir uns nicht gut tun, wenn wir dauerhaft in der Lüfte kreisen und mit unseren Gedanken und Aufgaben fortschweben. Sich nur auf oberirdische Pflanzenteile zu konzentrieren, entspricht dem bisherigen Bild, aber ist es noch zeitgemäß?

Einen Schritt weiter geht sie mit der Wilden Möhre. Kein Wunder, denn diese stattlichen Exemplare auf Pantelleria wirken wie Symbolpflanzen der Insel. Es gibt zwei Arten von ihr vor Ort, die Riesenmöhre und die Trapanische Möhre, die wir intensiver auf der nächsten Aromareise im Mai 2022 kennenlernen werden. Ines‘ Überegung war hier: Die Wurzel ist so bedeutend für unsere Nahrung, das Kraut ist essbar, die Samen werden wegen ihres Ölreichtums destilliert – Warum nicht alles zusammen destillieren!? Auf ihr Wilde-Möhren-Öl sind sogar Spezialfirmen aufmerksam geworden, die es beziehen. Es ist mein absolut liebstes Möhrenöl geworden – der Duft ist wahnsinnig toll.

Also, wer von euch selbst destilliert, kann mit diesen Gedanken ein bisschen spielen. Vielleicht werden eure Destillate dadurch auch runder und reicher. Vielleicht ist es etwas, das wir etablieren können, weil die Zeit gekommen ist?

Wilde Möhre ganzheitlich

Über die Wilde Möhre habe ich schon einen ausführlichen Artikel verfasst. Daher hier noch ein paar Ergänzungen zum ganzheitlichen Blick.

Ihr zentrales Thema ist das Zentrum selbst. Sie führt in unsere Mitte und Verankerung. Ein Öl, in das auch Wurzeln destilliert wurden, erfüllt dies nochmals mehr. Dann können chaotische Einflüsse um uns wehen und wir wissen trotzdem wer wir sind und was wir tun (wollen). Diese Kenntnis ist zutiefst beruhigend für uns. Wir kennen unsere Grenzen und unser Grenzorgan Haut braucht sich nicht mit Zeichen der Abwehr zeigen – Psoriasis, die Schuppenflechte, ist ein Symbol für das Loswerden-Wollen von etwas oder jemanden, was nicht funktioniert. Für dieses Symptom ist die Wilde Möhre eines der wichtigsten ätherischen Öle.

Ganz wichtig ist auch das Verdauen-Können und Entscheiden-Können, was mit einer Fokussierung auf das Wesentliche durch die Wilde Möhre gelingt. Deshalb kennen wir die Möhrensuppe, genauer die Moro-Suppe, auch als vortreffliches Heilmittel für den Darm, das Entzündungen ausheilt und akute Durchfälle beruhigt, weil die Möhren in diesem Zustand besonders gut Gifte abbinden und für die Ausleitung von Bakterien sorgen.

Entscheiden und loslassen: Wilde Möhre hilft Körper und Geist

Das Öl gilt als vortrefflich leberregenerierendes Mittel. So kann die Leber ihre Dienste besser tun: Aus aufgenommenen Nährstoffen neues für den Körper bauen, entgiften und Galle produzieren. Letztere brauchen wir zur Fettemulsion und -spaltung sowie zur Ausscheidung von Giften über den Darm. Die Entgiftungsfunktion der Leber ist in der Chinesischen Medizin mit der Gallenblasenenergie verbunden und diese wiederum trifft eine Aussage über unsere Fähigkeit zu entscheiden. Während die Leberenergie die kreative Energie ist und wir mit ihrer Hilfe ständig neue Ideen entwickeln, ist die Gallenblasenenergie jene, die dann daraus zielstrebig erwählt, was umgesetzt wird und was nicht. Daher können wir dank Wilder Möhre besser differenzieren, was zu uns gehört und was nicht und machen Schlussstriche. Verbunden damit ist auch die Dickdarmenergie. Nicht nur der Dickdarm selbst ist damit gemeint, sondern auch unsere Fähigkeit loszulassen. Entscheidungen zu treffen, heißt ja auch andere Möglichkeiten zu verabschieden. Mit Wilder Möhre lassen wir aber gerne Dinge los, die wir schon länger mit uns herumschleppen. Diese Erleichterung entlastet daher unsere Dickdarmenergie und auch den tatsächlichen Darm. Und der Zustand des Darms zeigt sich auch an der Haut, womit wir oben ja schon begannen.

Mit diesem Öl mache ich sehr gerne (Öldispersions-)Bäder, welche Beauty-Bad und Seelenbad in einem sind. Aber auch Baucheinreibungen mit dem verdünnten Öl sind sehr angenehm und wirkungsvoll.

Trivialnamen

  • Karotte (kar – Laus – wegen der Form)
  • Vogelnest (wegen der Blütenform im Samenreifungsstadium)
  • Bischofs Spitze und im Englischen Queen Anne’s Lace, wobei lace = Spitze (die Draufschau der Blüten erinnert an ein feines Spitzendeckchen)
  • Wurzel (tatsächlich! Der Wortstamm der Möhre, nämlich mokra, morke, more, ist germanisch und slawisch und bedeutet Wurzel)
  • Beschlossene, Beslotene, Bestenauw (mittelhochdeutsch, ob das auf die Entscheidungskraft hindeutet?)
  • Blutströpflin (wegen dem dunklen, manchmal sogar rötlichen Punkt, die Mittelblüte, in der weißen Spitzendolde?)
  • Tugendbleme (Siebenbürgen)
  • Hofpasteren, Kattenklawe (mittelniederdeutsch)

Das Raunachtsgewinnspiel

Frage:

Unsere Kulturmöhre geht natürlich aus wilden Vorgängern hervor. Die Kreuzung welcher wilder Möhrenarten werden als Vorläufer vermutet?

 

Die Antwort:

Unsere Kulturmöhre, die Karotte bzw. (Daucus carota subsp. sativus) ist vermutlich (und sehr wahrscheinlich) eine Kreuzung aus drei wilden Möhrenarten:

  • der bei uns heimischen Wilden MöhreDaucus carota subsp. carota
  • der in Südeuropa heimischen RiesenmöhreDaucus carota subsp. maximus
  • sowie der in Afghanistan / dem Orient heimischen Orientalischen SchwarzmöhreDaucus carota subsp. afghanicus

Als möglicher Kreuzungspunkt wird Kleinasien angebracht, wo alle drei Arten natürlich vorkommen.

 

Spielregeln:

Die Frage ist für 24 Stunden online. Danach gibt es die Auflösung und vor allem die nächste Chance im neuen Artikel. Ihr könnt jede Frage einmal beantworten. Unter den richtigen Antworten lose ich nach den Raunächten die Gewinnerin bzw. den Gewinner aus. Insgesamt könnt ihr, wenn ihr jeden Tag die neue Frage richtig beantwortet, 12 Lose bekommen und eure Gewinnchance damit wesentlich erhöhen.

Gewinn:

Zu gewinnen gibt es mein 2. Buch! Und nein, ihr habt noch nichts verpasst: Es erscheint erst in 2022. Die Gewinnerin oder der Gewinner darf sich ein bisschen gedulden, wird aber die/der erste sein, die/der das Buch in den Händen hält. Wenn das kein Mega-Preis ist! 😀

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